Donnerstag, 5. März 2015

[Rezi] "Der Märchenerzähler" von Antonia Michaelis

(c) Bildrechte: Oetinger Verlag
 "Der Märchenerzähler"
 von Antonia Michaelis
Verlag: Oetinger, 2011
Einzelband, 448 S.

~Inhalt~
Die 17-jährige Anna ist eine Träumerin und denkt von sich selbst, sie würde in einer Seifenblase leben. In ihrem Zuhause mit der „blauen Luft“ und den Rotkehlchen im Garten ist sie wohl behütet aufgewachsen. Doch dann lernt sie durch einen Zufall Abel Tannatek aus ihrem Deutschkurs näher kennen. Abel, den alle nur den polnischen Kurzwarenhändler nennen, da er Drogen an Mitschüler verkauft. Und Annas Neugier sorgt dafür, dass sie Abel nicht mehr aus dem Kopf bekommt, ihm folgt, und herausfindet, dass er seiner kleinen Schwester Micha wunderbare Märchen erzählt. Abel und Micha leben in ärmlichen Verhältnissen. Ihre Mutter ist „verreist“, keiner weiß, wann sie wieder kommt oder wo sie ist. Abel kümmert sich alleine um Micha und „jobt“ neben der Schule, um genug Geld für sie beide zu haben. Langsam schleicht sich Anna in das Leben der beiden hinein und verliebt sich in Abel. Sie glaubt fest daran, dass er kein so schlechter Mensch ist, wie alle sagen. Doch kann ihre Liebe wirklich Bestand haben? Und wer ist Abel wirklich?

~Meine Meinung~
Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wie ich dieses Buch bewerten soll, ohne allzu viel zu spoilern… Es ist ein wunderbares, aber auch sehr schreckliches Buch. Wunderbar wegen dem unglaublich schönen, poetischen Schreibstil, der einem am laufenden Band verträumte, lebhafte Bilder in den Kopf zaubert. Und schrecklich wegen der Handlung. Selten habe ich ein Buch gelesen, dass mich so gefesselt hat, das ich es kaum aus der Hand legen konnte. Denn das ist „Der Märchenerzähler“ auf jeden Fall: spannend und meiner Meinung nach kaum vorhersehbar. Man denkt sich zwar Dinge, ahnt vielleicht etwas, aber man hofft doch stets etwas anderes. Es gelingt ganz wunderbar, Hoffnungen zu wecken und sie dann gnadenlos zu zerstören, nur um kurz darauf erneut Hoffnung zu schüren. Bis am Ende die große Auflösung folgt.

Insgesamt waren mir die Charaktere sympathisch. Anna mit ihrer verträumten Art ist sehr liebenswert, aber gleichzeitig so furchtbar naiv, das man sie an manchen Stellen im Buch einfach nur schütteln will, damit sie endlich aus ihrer Seifenblase aufwacht und die Realität erkennt. Abel bleibt die meiste Zeit ein Rätsel. Er ist ein wunderbarer Märchenerzähler, doch wie viel Wahrheit steckt in seinen Geschichten? Und letztlich Micha, die einfach nur zuckersüß und unschuldig ist und mit ihrer kindlichen, vorlauten Art immer wieder ein Lächeln in mein Gesicht zaubern konnte. Auch die anderen Charaktere kommen recht real rüber. Anna beste Freundin Gitta, der verschlossene Bertil, der Lehrer Knaake… und jeder spielt seine kleine Rolle in der ganzen Geschichte.

Als ich das Buch gestern beendete, nachdem ich die letzten 200 Seiten fast an einem Stück gelesen hatte, war ich wirklich aufgewühlt. Es passierte auf den Seiten so viel. Eine wirklich schreckliche Szene bleibt dabei besonders im Gedächtnis und ich verstehe immer noch nicht, wieso Anna das verzeihen konnte… Immer wieder musste ich mich fragen, wie weit Liebe gehen kann, wie weit man Verzeihen kann, weil man liebt. Wo sind die Grenzen?

Und ich weiß gerade wirklich nicht, wie ich das Buch bewerten soll. Aus dem Gefühl heraus, würde ich 5 Sterne verteilen, einfach weil es sich so toll lesen ließ, der Schreibstil wunderschön ist und ich vor allem am Ende sehr viel empfunden habe – sowohl Trauer als auch Wut. Und meiner Meinung nach ist ein Buch genau dann gut: Wenn es Emotionen im Leser hervorrufen kann.
Dennoch bleibt der unschöne Nachgeschmack, dass Anna zu viel verzeiht, dass sie zu sehr liebt und die Realität nicht mehr sieht. Kann ein Mensch wirklich so „dumm“ und irrational sein?
Daher nur 4 Sterne. Aber das Buch ist auf jeden Fall sehr, sehr lesenswert und ich würde es vorbehaltlos jedem weiter empfehlen, der nicht zu zartbesaitet für die teilweise doch heftigen Szenen ist.

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